Wer angemessen mit Quellen umgehen will, muss mit Kategorien arbeiten, welche helfen, Ordnung in das überlieferte Material zu bringen. Gleichzeitig prägen solche Kategorien in vielen Fällen unsere Wertung von Quellen. Deswegen ist auch die kritische Reflexion der verwendeten Kategorien entscheidend für verantwortliches historisches Arbeiten. Dies gilt besonders dann, wenn bestimmte Kategorien nicht neutral, sondern allzu häufig polemisch wertend verwendet werden. Ein extremer Fall ist die Verwendung der Kategorie "apokryph". Die sich bereits in der Antike mit dieser Bezeichnung verbindenden Assoziationen von "gefälscht" einerseits und "geheim" andererseits prägen in manchen Bereichen bis heute den Umgang mit "christlichen Apokryphen". Eng verbunden ist damit häufig die Verwendung der Kategorien "(proto-)orthodox", "mehrheitskirchlich" einerseits und (erneut polemisch abwertend) "häretisch" andererseits.In den Beiträgen des vorliegenden Bandes wird gezeigt, wo Grenzen, die in den oben diskutierten Kategorien gesetzt werden, tatsächlich eine Rolle spielen, vor allem aber, wo diese Grenzen überschritten sind und wir deswegen mit neuen, anderen Kategorien arbeiten müssen, um die Bedeutung "apokrypher" bzw. "apokryph gewordener" Schriften für die Geschichte eines vieldimensional und dynamisch verstandenen antiken Christentums zu verstehen.Folgende Fragen spielen dabei eine entscheidende Rolle: In welchen Kontexten und durch welche Gruppen werden apokryph gewordene Schriften verwendet? Wo spielen apokryphe bzw. apokryph gewordene Texte in Kontexten eine Rolle, die wir heute als "orthodox" bezeichnen würden? Welche Funktionen kommen ihnen dabei zu?