Dass José Carreras am 16.09.1988 auf der Bühne
der Wiener Staatsoper einen Liederabend gab, war
- wie er sagte - sein musikalisches Dankeschön an
alle Österreicher, die ihm während der schweren Zeit
seiner Krankheit durch ihre Anteilnahme Kraft und
Mut gegeben hatten. Aus keinem Land außerhalb
Spaniens erreichte ihn eine derartige Flut an Liebesund
Sympathiebezeugungen. Und er versprach schon
im März, sein erstes Auslandskonzert in Wien geben
zu wollen.
Es mag dieser Auftritt vielleicht von manchen auch
als "Wunder" bezeichnet werden. Erstens, weil er
überhaupt wieder auf die Bühne zurückkehren konnte,
zweitens, weil diese Rückkehr früher geschah, als es
der Künstler selbst zu hoffen gewagt hatte. Aber das
ist es nicht. Es ist kein Wunder - nur das Ergebnis
von Disziplin, Härte, eisernem Willen, Zuversicht und
jenem Quäntchen Glück, das man eben auch braucht.
Carreras hat erbittert um sein Leben gekämpft,
sich zwar mit der Situation abgefunden, aber keine
Sekunde lang resigniert und selbst in den Phasen
schwerster Krisen unerschütterlich darauf vertraut,
wieder gesund zu werden.
Was hinter ihm liegt, ist ein Alptraum. Und doch
betrachtet er bereits jetzt alles nur als eine Periode
in seinem Leben, die eben nun vorbei ist. Aus der er
aber Konsequenzen gezogen hat. Eine davon ist die
Gründung der internationalen Leukämie-Stiftung, die
seinen Namen trägt und für die er bewundernswerten
Einsatz zeigt. Eine zweite Konsequenz betrifft den
Künstler Carreras. Seine Lieblingsbeschäftigung,
daran wird sich wohl nie etwas ändern, ist Singen. Der
Unterschied zu früher liegt darin, dass er sich nicht
mehr abhetzen will. Anders gesagt: José Carreras
wird nur noch singen, wenn er Lust dazu hat.
